Wenn im zweiten Lebenshalbjahr der Energie- und Nährstoffbedarf des Säuglings steigt, reicht Muttermilch oder Säuglingsmilch allein nicht mehr aus. Feste Lebensmittel müssen sie ergänzen: Die Beikostzeit beginnt. Den Säugling dabei liebevoll zu begleiten, sich Zeit für die Mahlzeiten zu nehmen, die Signale des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und angemessen zu beantworten, all das fördert ein gesundes Essverhalten und ist wünschenswert. Für eine gute Versorgung, ist aber auch ein ausgewogenes Angebot wichtig. Der Ernährungsplan des Forschungsinstituts für Kinderernährung, der die sukzessive Einführung von drei Breien beinhaltet, entspricht dem ernährungsphysiologischen Bedarf des Kindes. Diesen Nachweis hat Baby-led weaning bisher nicht erbracht und der postulierte Vorteil, ein gesünderes Essverhalten zu fördern, ist in Studien kaum untersucht, wie eine Analyse des Forschungsinstituts für Kinderernährung zeigt [1–11]. Die Empfehlung des Netzwerks Gesund ins Leben, eine IN FORM-Initiative des Bundesernährungsministeriums, lautet daher: Eltern sollten sich in der Beikost weiterhin an dem bewährten und sicheren Ernährungsplan orientieren. Doch das schließt Fingerfood nicht aus. Werden dem Säugling zusätzlich nährstoffreiche Lebensmittel in Stückchen angeboten, kann er sie mit allen Sinnen erfahren und spielerisch eine gesunde Ernährung entdecken. Auch für Babys, die Brei eher verweigern, kann dies ein Weg für eine gute Versorgung sein.
Das Konzept „Selbst isst das Kind“
Die Beikostmethode Baby-led weaning, entwickelt von der britischen Hebamme und Stillberaterin Gill Rapley, gewinnt hierzulande stark an Popularität [12]. Dabei handelt es sich um eine Ernährungsform, bei der der Säugling die Zeit des Übergangs von der Muttermilch zur Familienernährung selbst steuert. Er ist bei den Mahlzeiten der Familie mit dabei, nimmt sich – wenn er bereit ist und mag – angebotene kleine Stückchen und füttert sich selbst. Auch beim hierzulande üblichen Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr des Forschungsinstituts für Kinderernährung entscheidet das Kind, ob und wie viel es isst. Die Beikost wird hier jedoch in Form von Breien angeboten, die gegen Ende des ersten Lebensjahres in die Familienmahlzeiten übergehen. Dieser Ernährungsplan wird von Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie unterstützt.
Ausreichende Nährstoffversorgung wichtig
Im zweiten Lebenshalbjahr kann Muttermilch allein den steigenden Bedarf des Säuglings an Energie und Nährstoffen, wie zum Beispiel Eisen, nicht mehr decken. Deshalb ist die Ergänzung durch eine adäquate Menge Beikost mit einem höheren Gehalt an bestimmten Nährstoffen wie in der in Muttermilch notwendig. Aber auch nach Einführung der Beikost sollte weiter gestillt werden. Im Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) ist die Versorgung des Kindes durch Muttermilch bzw. Säuglingsmilchnahrung und jene durch die Breie aufeinander abgestimmt. Das FKE-Konzept ist durchkalkuliert und die Referenzwerte für die Energie- und Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung werden erreicht [13].
Über Nachgefragt
In der Rubrik Nachgefragt gehen wir Irrtümern auf den Grund und erklären altes Wissen neu.
Ein solches Konzept fehlt beim Baby-led weaning. Das Angebot an stückigen Lebensmitteln ist von Familie zu Familie unterschiedlich und das, was das Baby davon auswählt, ebenfalls. Die als Fingerfood in Frage kommenden Lebensmittel haben zudem meist eine geringe Energiedichte und die verzehrten Mengen an fester Kost sind eher klein. Muttermilch (oder Säuglingsmilchnahrung) bleibt weit ins zweite Lebenshalbjahr hinein die hauptsächliche Nährstoffquelle. All das stellt die ausreichende Nährstoffversorgung in Frage.
Zu späte Beikosteinführung ist von Nachteil
Die Beikost wird bei Baby-led weaning eingeführt, wenn die motorischen Fähigkeiten des Säuglings soweit entwickelt sind, dass er sich selbst füttern kann. Die Einführung beginnt in der Regel frühestens ab dem siebten Lebensmonat. Doch Kinder sind im Hinblick auf die motorische Entwicklung sehr verschieden. Manche Kinder nehmen schon mit fünf, sechs Monaten feste Lebensmittelstückchen in den Mund. Andere lassen sich damit weit in das zweite Lebenshalbjahr hinein Zeit [14]. Damit steigt das Risiko für eine unzureichende Energie- und Nährstoffversorgung. Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie empfiehlt, Beikost frühestens ab Beginn des 5. Monats, spätestens ab Beginn des 7. Monats einzuführen. Die individuelle Reife gibt den konkreten Zeitpunkt in diesem Zeitfenster vor [15]. Brei können die meisten Kinder problemlos mit 5 bis 6 Monaten essen.
Vielfalt bei Beikost erwünscht
Ein frühes Angebot an vielfältigen Geschmacksrichtungen und Konsistenzen erleichtert die Akzeptanz für neue Lebensmittel [16]. Auch wenn die Breirezepturen Vielfalt durchaus ermöglichen, so zeigt sich in fertig gekauften wie in selbsthergestellten Babybreien eine eher geringe Variabilität [1]. Sorgen die Eltern für ein vielfältiges, abwechslungsreiches Angebot an möglichst „puren“ Lebensmittelstückchen, kann Baby-led weaning von Vorteil sein. Dass die alternative Beikostmethode einem wählerischen Essverhalten im Kleinkindalter besser vorbeugt als die traditionelle Beikostmethode, konnte eine Studie aus Großbritannien allerdings nicht zeigen [17].
Auf Signale des Kindes achten. Die Hunger- und Sättigungssignale des Säuglings wahrzunehmen, sie richtig zu interpretieren und sie angemessen zu beantworten, das stärkt seine Selbstregulationsfähigkeit. Dies ist für die Entwicklung eines gesunden Essverhaltens und zur Vorbeugung von Übergewichtig wichtig [18]. Deshalb heißt die Empfehlung „Essen nach Bedarf“ – egal ob das Kind Brei oder Stückchen isst. Der Säugling entscheidet, ob und wie viel er isst. Die Eltern sind gefragt, für ein gesundes Angebot zu sorgen und den Säugling beim Essen liebevoll zu begleiten.