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Stillen ist die natürliche Ernährungsform des Säuglings und fördert seine Gesundheit. Muttermilch enthält Milchzucker und damit Nahrung für Kariesbakterien. Was heißt das für das Stillen, wenn die ersten Milchzähne kommen? Was können Eltern zum Schutz der Kinderzähne tun?

Baby mit den ersten Milchzähnen
stock.adobe.com/Ramona Heim

Eine generelle Erhöhung des Kariesrisikos durch Stillen lässt sich aus der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage nicht ableiten. Sie zeigt aber, dass eine längere Stilldauer zusammen mit anderen kariesfördernden Faktoren das Kariesrisiko erhöhen kann. Auch unter dem Blickwinkel der Zahngesundheit wird das Stillen gemäß den nationalen Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben empfohlen [1]. Maßnahmen wie regelmäßiges Zähneputzen, adäquate Fluoridanwendung und eine zahngesunde Beikost bzw. Kleinkindernährung helfen, der Kariesentstehung vorzubeugen.

Stillen: die natürliche Ernährung für Säuglinge

Stillen unterstützt die Gesundheit und die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes von Anfang an. Es fördert kurz- und langfristig die Gesundheit von Kind und Mutter [1]. Deshalb sollen Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr gestillt werden, mindestens bis zum Beginn des fünften Monats ausschließlich. Auch nach Einführung von Beikost – spätestens mit Beginn des siebten Monats – sollen sie weitergestillt werden. Wie lange, entscheiden Mutter und Kind. Die Häufigkeit und Dauer der Stillmahlzeiten ist individuell unterschiedlich und sollten vom kindlichen Bedarf bestimmt werden [1].

Frühkindliche Karies – ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren

Bei der Entstehung von Karies spielen neben der Bakterienbesiedelung der Zahnoberflächen die Menge und Art an zuckerhaltigen Lebensmitteln eine Rolle, aber auch die Dauer und Häufigkeit des Verzehrs [2,3]. Muttermilch enthält Laktose (Milchzucker)1, die wie andere Zucker von Kariesbakterien in der Mundhöhle gespalten und verstoffwechselt werden kann. Die dabei entstehenden Säuren führen zur Demineralisierung des Zahnschmelzes, was zu Karies führen kann. Die Säuren kann der Speichel zwischen den (Still-)Mahlzeiten zum Teil abpuffern und so eine Remineralisierung ermöglichen. Deshalb sind – nicht nur bei Säuglingen – Pausen zwischen den (Still-)Mahlzeiten wichtig. Dauernuckeln und damit eine permanente Umspülung der Zähne mit zuckerhaltiger Flüssigkeit lässt das Risiko für Karies steigen [4].

Datenlage für Stillen nach 12 Monaten nicht eindeutig

In einzelnen Fallberichten ist Karies im Zusammenhang mit Stillen beschrieben [5-7]. Die Assoziation von Stillen bzw. Muttermilch und dem frühkindlichen Kariesrisiko wurde vor allem im Rahmen von Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien oder Querschnittsstudien untersucht und die vorhandene Evidenz in systematischen Übersichtsarbeiten bewertet [2,4,8-11]. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Stillen im ersten Lebensjahr nicht mit einem erhöhten Kariesrisiko assoziiert ist, sondern das Kariesrisiko unter Umständen sogar verringern kann [2,4,9,11]. Aus den Ergebnissen kann aufgrund methodischer Limitationen jedoch nicht mit Sicherheit abgeleitet werden, dass das Stillen im ersten Lebensjahr ein Schutzfaktor für Karies ist, denn Stillen ist mit anderen schützenden Variablen wie z. B. höherem sozioökonomischem Status oder geringerer Zufuhr zuckerhaltiger Getränke assoziiert.

Bei einer Stilldauer von mehr als 12 Monaten [2,4,8,11,12] oder mehr als 24 Monaten [10,13] und auch bei häufigem nächtlichen Stillen nach dem ersten Lebensjahr [14-16] zeigt sich ein erhöhtes Kariesrisiko. Auch hier sind die vorliegenden Studien im Design sehr heterogen und von teilweise geringer Qualität. Andere Einflussfaktoren auf das Kariesrisiko sind ebenfalls oft nicht ausreichend berücksichtigt, darunter z. B. der sozioökonomische Status, die Qualität der Mundhygiene und Fluoridanwendung. Auch die Art des Stillens (z. B. Stillen nach Bedarf) bzw. die Häufigkeit des Stillens wurde in den Studien nicht immer erhoben. Neuere Studien zeigen jedoch ein erhöhtes Kariesvorkommen bei längerer Stilldauer unabhängig von der sonstigen Zuckeraufnahme [12,13]. Aus der Datenlage lässt sich damit zwar nicht schließen, dass eine längere Stilldauer oder nächtliches Stillen nach Bedarf generell kariesfördernd sind. Es lässt sich aber ableiten, dass im Zusammenhang mit anderen Faktoren, die kariesfördernd sind, bei einer Stilldauer von mehr als 12 Monaten und insbesondere von mehr als 2 Jahren die Häufigkeit und Schwere von Karies zunehmen kann [2,12,13]. Für zuverlässigere Schlussfolgerungen sind weitere gut geplante prospektive Kohortenstudien notwendig.

Stillen nach Bedarf im eigenen Rhythmus

Beim empfohlenen Stillen nach Bedarf [1] entwickeln Säuglinge ihren eigenen Stillrhythmus. Stillmahlzeiten wechseln sich tagsüber ebenso wie nachts mit stillfreien Zeiten ab. Das Kind signalisiert, wenn es Hunger hat und gestillt werden möchte, und wann es satt ist [1,17]. Die Mutter reagiert adäquat auf diese Signale. Ein permanentes Stillen (Dauernuckeln) und damit eine dauerhafte Umspülung der Zähne mit Muttermilch gilt es zu vermeiden. Nicht jede Unruhe des Kindes ist ein Signal fürs Stillen. Phasen, in denen es ein höheres Stillbedürfnis gibt, sind natürlich und meist vorübergehend.

Zahngesunde Ernährung plus Fluoride plus Zahnhygiene

Eine zahngesunde Ernährung ist wichtig für die Kariesprävention. Im Säuglingsalter wird empfohlen, dass die Stillmahlzeiten spätestens ab Beginn des siebten Monats nach und nach durch eine adäquate und (zahn)gesunde Beikost ergänzt werden. Die Beikost soll gegen Ende des ersten Lebensjahres in eine gesunde und damit auch zahngesunde Kleinkindernährung übergehen. Sie sollte abhängig von der Entwicklung des Milchgebisses zunehmend zum Kauen anregen und reichlich Gemüse, Obst und Vollkornprodukte in kindgerechter Form erhalten, Süßes dagegen nur sparsam.

Die Getränke sollen ungesüßt sein und von Anfang an aus dem offenen Becher oder der Tasse getrunken werden. Dies beugt dem Dauernuckeln vor. Essenspausen zwischen den Mahlzeiten bleiben für die Gesundheit der Zähne weiterhin wichtig, damit über den Speichel der Zahnschmelz remineralisiert werden kann [18]. Im Zusammenspiel mit einer adäquaten Fluoridanwendung und Zahnpflege ab dem ersten Zahn, wie in den Empfehlungen zur Kariesprävention des Netzwerks Gesund ins Leben [19] ausgeführt, werden die Zähne des Kindes so von Anfang an optimal vor Karies geschützt.

Fazit

Stillen fördert die Gesundheit von Kind und Mutter. Deshalb sollen Säuglinge gestillt werden. Wie lange insgesamt gestillt wird, bestimmen Mutter und Kind. Selbst bei einer längeren Stilldauer wird Karies dadurch nicht generell gefördert. Das Risiko der Kariesentstehung nimmt mit einer längeren Stilldauer jedoch zu. Durch geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung von Karies, die individuell besprochen werden sollten, lässt sich das Risiko für die Kariesentstehung reduzieren. Deshalb sollten Eltern bereits vor dem Durchbruch des ersten Zahns über eine sichere und wirksame Kariesprophylaxe informiert werden.

1 Auch Säuglings(milch)nahrung enthält in der Regel Laktose.

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Literatur

[1] Koletzko B, Bauer CP, Cierpka M et al. Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen. Aktualisierte Handlungsempfehlungen von "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie", eine Initiative von IN FORM. Monatschr Kinderheilkd 2016; 164: 765-789

[2] Tham R, Bowatte G, Dharmage SC et al. Breastfeeding and the risk of dental caries: a systematic review and meta-analysis. Acta paediatrica 2015; 104: 62-84

[3] Tinanoff N, Palmer CA. Dietary determinants of dental caries and dietary recommendations for preschool children. Journal of public health dentistry 2000; 60: 197-206; discussion 207-199

[4] Branger B, Camelot F, Droz D et al. Breastfeeding and early childhood caries. Review of the literature, recommendations, and prevention. Archives de pédiatrie : organe officiel de la Sociéte française de pédiatrie 2019; 26: 497-503

[5] Abbey LM. Is breast feeding a likely cause of dental caries in young children? Journal of the American Dental Association 1979; 98: 21-23

[6] Curzon MEJ, Drummond BK. Case report - rampant caries in an infant related to prolonged on-demand breastfeeding and a lacto-vegetarian diet. Journal of Pediatric Dentistry 1987, DOI: 25-28

[7] Wölfle UC, Hickel R, Kühnisch J. Frühkindliche Karies und Untergewicht. Monatsschr Kinderheilkd 2021, DOI: 10.1007/s00112-021-01189-7

[8] Valaitis R, Hesch R, Passarelli C et al. A systematic review of the relationship between breastfeeding and early childhood caries. Canadian journal of public health Revue canadienne de santé publique 2000; 91: 411-417

[9] Avila WM, Pordeus IA, Paiva SM et al. Breast and Bottle Feeding as Risk Factors for Dental Caries: A Systematic Review and Meta-Analysis. PloS one 2015; 10: e0142922

[10] Moynihan P, Tanner LM, Holmes RD et al. Systematic Review of Evidence Pertaining to Factors That Modify Risk of Early Childhood Caries. JDR Clin Trans Res 2019; 4: 202-216

[11] Cui L, Li X, Tian Y et al. Breastfeeding and early childhood caries: a meta-analysis of observational studies. Asia Pacific journal of clinical nutrition 2017; 26: 867-880

[12] van Meijeren-van Lunteren AW, Voortman T, Elfrink MEC et al. Breastfeeding and Childhood Dental Caries: Results from a Socially Diverse Birth Cohort Study. Caries research 2021; 55: 153-161

[13] Peres KG, Nascimento GG, Peres MA et al. Impact of Prolonged Breastfeeding on Dental Caries: A Population-Based Birth Cohort Study. Pediatrics 2017; 140

[14] Weber-Gasparoni K, Kanellis MJ, Levy SM et al. Caries prior to age 3 and breastfeeding: a survey of La Leche League members. J Dent Child (Chic) 2007; 74: 52-61

[15] van Palenstein Helderman WH, Soe W, van 't Hof MA. Risk factors of early childhood caries in a Southeast Asian population. J Dent Res 2006; 85: 85-88

[16] Nakayama Y, Mori M. Association between nocturnal breastfeeding and snacking habits and the risk of early childhood caries in 18- to 23-month-old Japanese children. J Epidemiol 2015; 25: 142-147

[17] Fenner A, ., Nieberding T. Häufigkeit beim Stillen: Wie oft müssen Säuglinge angelegt werden? . Frauenarzt 2020; 61: 715-716

[18] Koletzko B, Armbruster M, Bauer CP et al. Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter. Handlungsempfehlungen des Netzwerks "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie", ein Projekt von IN FORM. Monatschr Kinderheilkd 2013, DOI: 10.1007/s00112-013-3031-3

[19] Berg B, Cremer M, Flothkötter M et al. Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Monatsschr Kinderheilkd 2021; 169: 550-558

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