Empfehlungen
- Der längerfristige Ausschluss von Nahrungsmitteln aus der Ernährung soll nur auf Grundlage einer gesicherten ärztlichen Diagnose erfolgen. Der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit rechtfertigt nicht den Ausschluss außerhalb der diagnostischen ärztlichen Abklärung, denn er kann Kinder erheblich belasten und ihrer Gesundheit schaden.
- Auch bei Neurodermitis (atopische Dermatitis, atopisches Ekzem) soll eine Meidung potenziell allergieauslösender Nahrungsmittel nur erfolgen, wenn eine allergische Reaktion gegen diese Nahrungsmittel ärztlich festgestellt wurde.
- Bei einer Nahrungsmittelallergie muss das allergieauslösende Nahrungsmittel strikt gemieden werden.
- Bei einer Zöliakie muss Gluten strikt gemieden werden.
- Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit (z. B. bei einer Fruktosemalabsorption) ist die individuell vertragene Menge unterschiedlich. Bei einer Fruktosemalabsorption reicht meist die Begrenzung der Zufuhr fruktose- bzw. sorbithaltiger Lebensmittel.
- Die Ernährung soll trotz notwendiger Diät ausgewogen und abwechslungsreich sein und den Bedarf an Energie und Nährstoffen decken. Es sollte eine qualifizierte fachliche Beratung erfolgen.
Grundlagen der Empfehlungen
Die Empfehlungen basieren auf den deutschen Leitlinien zum Management Immunglobulin E (IgE)-vermittelter Nahrungsmittelallergien [224] sowie zu Neurodermitis, in der 2015 überarbeiteten Fassung [217].
Hintergrundinformationen
Hühnerei, Kuhmilch, Erdnuss, Schalenfrüchte (Nüsse), Weizen, Fisch, Sesam und Soja sind die häufigsten Auslöser für allergische Reaktionen im Kindesalter [162, 176, 225, 226]. Besonders häufig kommen Nahrungsmittelallergien bei Kindern vor, die eine atopische Dermatitis haben oder hatten; ungefähr jedes dritte Kind mit atopischer Dermatitis ist betroffen. Hierbei kommt es jedoch viel häufiger zu einer Soforttypreaktion als zu einer Verschlechterung des Ekzems [69]. Viele Nahrungsmittelallergien verlieren sich bis zum Schulalter [225]. Etwa 50 bis 60 % der Kinder, die im Säuglingsalter eine Kuhmilch- oder Hühnereiallergie zeigen, weisen im Schulalter eine Toleranz auf [224]. Bei der Erdnussallergie scheint eine Toleranzentwicklung deutlich seltener zu sein, sie tritt bei ungefähr jedem fünften Kind ein [224].
Gesicherte Methoden zur Diagnose von Nahrungsmittelallergien sind die Anamnese, der Nachweis einer Sensibilisierung mittels Hauttest bzw. Bluttest auf IgE-Antikörper, ggf. gefolgt von Elimination und Provokation mit den verdächtigten Nahrungsmitteln. Welche diagnostischen Methoden individuell sinnvoll sind, empfiehlt die betreuende Ärztin bzw. der betreuende Arzt.
Hinweis: Ungeeignete Methoden zum Nachweis einer Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit sind: Bestimmungen von Immunglobulin G (IgG) und Immunglobulin G4 (IgG4), Bioresonanz, Kinesiologie, Elektroakupunktur, zytotoxischer Lebensmitteltest, Lymphozytentransformationstest, Vegatest, Irisdiagnostik, Haaranalysen, Pendeldiagnostik.
Bei einer Nahrungsmittelallergie muss das Allergen vollständig gemieden werden. Es sollte eine regelmäßige ärztliche Überprüfung und ggf. eine orale Nahrungsmittelprovokation, in der Regel unter ärztlicher Aufsicht, erfolgen, um festzustellen, ob eine Toleranz eingetreten ist [224].
Zöliakie wird durch das Getreideprotein Gluten (z. B. in Roggen, Weizen, Dinkel und Gerste) bei Menschen mit einer genetischen Prädisposition ausgelöst (die nur bei etwa einem Drittel der Bevölkerung in Deutschland vorliegt) [112, 113]. Etwa 1 % der Kinder in Deutschland sind von einer Zöliakie betroffen [113]. Minimale Glutenmengen reichen aus, um immunologische Reaktionen mit einer Schädigung der Dünndarmschleimhaut und der Nährstoffabsorption auszulösen. Eine strikte und dauerhafte glutenfreie Ernährung ist bei ärztlich gesicherter Diagnose auf der Basis der Bestimmung spezifischer Antikörper und in der Regel der Untersuchung der Dünndarmschleimhaut erforderlich [72, 98].
Eine Einschränkung der Lebensmittelauswahl kann zu erheblichen sozialen Belastungen für das Kind führen und bei einer ungenügenden Zufuhr an wichtigen Nährstoffen die kindliche Gesundheit gefährden [224]. Die Diättherapie sollte daher mit fachlicher Beratung erfolgen, um auch beim Ausschluss von Lebensmitteln eine bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr zu erzielen.
Eine gesicherte ärztliche Diagnose (Anamnese, spezifische Tests, Ernährungs- und Symptomprotokoll, Elimination, Provokation) ist auch Voraussetzung für eine diätetische Behandlung bei nicht-allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Eine Laktoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit) entwickelt sich bei genetisch disponierten Personen im Laufe des Schulalters durch eine sinkende Aktivität des Enzyms Laktase, so dass nur begrenzte Mengen an Milch und anderen milchzuckerhaltigen Lebensmitteln (z. B. Eiskrem) toleriert werden. Kleinkinder sind jedoch noch nicht von einer Laktoseinteroleranz betroffen [67, 92]. Bei hoher Zufuhr von Fruktose (z. B. große Mengen Apfelsaft) kann die individuelle Resorptionskapazität für Fruktose im Dünndarm überschritten werden. Dann gelangt die Fruktose in den Dickdarm, wird dort bakteriell abgebaut und kann zu Beschwerden, wie Bauchschmerzen und Durchfällen, führen. Sorbithaltige Lebensmittel (z. B. zahnfreundliche oder kalorienreduzierte Lebensmittel wie Kaugummis oder Bonbons) können diese Beschwerden ebenfalls auslösen [116]. Bei einer Fruktosemalabsorption ist eine Begrenzung der Zufuhr freier Fruktose wirksam. Lebensmittel, die Sorbit enthalten, sollten ebenfalls begrenzt werden.
Die Ärztliche Bescheinigung für Nahrungsmittel-Allergien und -Unverträglichkeiten zur Vorlage in Kindertagesstätten [139] sowie der Begleittext [140] unterstützt Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege im Umgang mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei betroffenen Kindern.