Die Weltstillwoche 2023 stand unter dem Motto "Stillen im Beruf – kenne deine Rechte". Ziel war es, Stillende sowie Arbeitgebende über die aktuell in Deutschland geltende Rechtslage aufzuklären und Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Stillen und Beruf zu schaffen. Denn: Viele Stillende und Schwangere halten Stillen und Berufstätigkeit für nicht vereinbar und stillen vor dem Wiedereintritt in Job, Ausbildung oder Studium ab. Dabei ist das deutsche Mutterschutzgesetz auf ihrer Seite: Bis zum ersten Geburtstag des Kindes haben Stillende das Recht auf bezahlte Stillzeiten, Arbeitgebende müssen geeignete Bedingungen für das Stillen oder Abpumpen schaffen. Darüber hinaus beinhaltet das Gesetz weitere Regeln zu Arbeitszeiten, Überstunden und zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen im Arbeitsumfeld.
Das Netzwerk Gesund ins Leben und zahlreiche Akteur*innen und Institutionen klärten in der Weltstillwoche über die geltende Rechtslage auf und gaben wertvolle Praxis-Tipps. Die klare Botschaft: Stillen und Beruf sind vereinbar. Die Info-Texte und Materialien des Netzwerks zum Thema sind auch über die Weltstillwoche hinaus kostenlos erhältlich.
Nachgefragt: Wie lassen sich Stillen und Beruf vereinbaren?
Für Familien: Meine Rechte rund ums Stillen
Für Familien: Muttermilch abpumpen, aufbewahren und füttern
Jederzeit bestellbar: kostenloses Info-Medium für Stillende
Es gibt Situationen, in denen eine Stillende mehrere Stunden von ihrem Kind getrennt ist. Sei es durch ihren Wiedereinstieg in den Beruf, einen längeren Termin oder auch einen babyfreien Abend. Wie das Baby in dieser Zeit sicher mit Muttermilch versorgt werden kann, erklärt das neue Info-Medium „Muttermilch to go“ des Netzwerks Gesund ins Leben. Kurz und knapp erfahren Stillende das Wichtigste, sowohl über die Gewinnung, als auch die Lagerung und Aufbereitung von Muttermilch. Wissenschaftlich fundiert, schnell und einfach verständlich.
"Muttermilch to go" kostenfrei beim ble-medienservice bestellen
A4-Bogen mit Aufklebern, doppelseitig, unter ble-medienservice.de, Bestell-Nr. 0717
- Mit Mehrwert: praktische Aufkleber, zum Beispiel zum Kennzeichnen von Muttermilch-Fläschchen in Kühlschrank oder Eisfach.
- Pre-Test ergab: 88 % der Stillenden und Fachkräfte gefällt das Medium “gut” oder “sehr gut”. Befragt wurden 84 Mütter von Kindern unter 12 Monaten und 81 Fachkräfte.
- Zum Verteilen: Für (Familien-)Hebammen, Frauenärzt*innen, Kinder- und Jugendärzt*innen, Praxismitarbeitende, Erzieher*innen und alle, die mit Schwangeren und/oder Stillenden zu tun haben oder sie beschäftigen.
Hier herunterladen: Informationen für Arbeitgebende
Bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz spielt für viele neben dem Standort, der Bezahlung und flexiblen Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle. Für Arbeitgebende kann Familienfreundlichkeit – und damit auch Stillfreundlichkeit – entsprechend ein Wettbewerbsvorteil sein. Welche Rechte und Pflichten am Arbeitsplatz sowie in Schule, Studium oder Ausbildung gelten, regelt in Deutschland das Mutterschutzgesetz. Die wichtigsten Punkte daraus hat das Netzwerk Gesund ins Leben in seinem Infoblatt „Stillen und Beruf“ für Arbeitgebende und Vorgesetzte zusammengefasst.
Info für Arbeitgebende hier herunterladen
PDF, zweiseitig
Mehr Materialien zum Thema "Stillen und Beruf"
Für Stillende:
- "Stillen und Berufstätigkeit", Arbeitgeber- und Elterninformation, Nationale Stillkommission
- "Leitfaden zum Mutterschutz", Information für Schwangere und Stillende, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Für Arbeitgebende:
- "Stillen und Berufstätigkeit", Arbeitgeber- und Elterninformation, Nationale Stillkommission
- "Arbeitgeberleitfaden zum Mutterschutz", Information für Schwangere und Stillende, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Live-Gespräch mit Anwältin Sandra Runge
Auf dem Instagram-Kanal des Netzwerks Gesund ins Leben gab es rund um die Weltstillwoche viele wichtige Infos rund um das Thema #StillenImJob. Außerdem fand ein Instagram-Live-Gespräch mit Arbeitsrecht-Anwältin Sandra Runge (@sandramariarunge) statt. Wenn ihr einen Instagram-Account habt, könnt ihr das Gespräch auch im Nachhinein noh ansehen: @gesund.ins-leben
Das war die Telefonaktion zur Weltstillwoche 2023
Unter einer kostenfreien Servicenummer beantworteten folgende Expertinnen anlässlich der Weltstillwoche Fragen rund um das Thema Stillen und Beruf:
- Amera Hahne, Expertin zum Mutterschutz aus dem Servicetelefon des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ)
- Prof. Dr. Katja Nebe, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Halle-Wittenberg, Expertin zum Mutterschutzrecht, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen
- Dr. Monika Berns, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neonatologie, Kinderärztin und Neonatologin, Leiterin der Frauenmilchbank der Charité, Mitglied der Nationalen Stillkommission
Das waren die häufigsten Fragen:
Wie lange kann ich mein Kind während der Arbeitszeit stillen? Muss ich diese Zeit nacharbeiten?
Prof. Dr. Katja Nebe: Bis zum ersten Geburtstag haben Sie nach dem Mutterschutzgesetz das Recht auf bezahlte Pausen zum Stillen. Die Dauer hängt davon ab, wie viel Zeit individuell erforderlich ist. Grob gesprochen sieht das Gesetz bei Vollzeitbeschäftigung Mindestpausen von zweimal täglich 45 Minuten vor, bei Teilzeitbeschäftigten mindestens zweimal 30 Minuten. In dieser Zeit können Sie Ihr Kind stillen oder Milch abpumpen. Der Arbeitgeber muss Sie im Rahmen dessen auf Ihr Verlangen von der Arbeit freistellen. Diese Zeiten müssen nicht vor- oder nachgearbeitet werden, Ihnen entsteht kein Entgeltausfall. Bei Gleitzeitmodellen, vor allem solchen ohne Kernarbeitszeiten, bestehen individuelle Besonderheiten. Im Mutterschutzgesetz ist das Recht auf bezahlte Stillpause auf das erste Lebensjahr begrenzt. Nach dem ersten Geburtstag kann der Arbeitgeber die Nacharbeit verlangen.
Ich arbeite in Teilzeit. Habe ich auch ein Recht auf bezahlte Stillzeiten?
Amera Hahne: Auch in Teilzeit müssen Ihnen bezahlte Stillzeiten gewährt werden. Stimmen Sie diese mit Ihrem Arbeitgeber ab. Grundsätzlich sollten sie so gelegt werden, dass möglichst wenig Arbeitszeit ausfällt. Die erforderlichen Zeiten können zum Beispiel an den Beginn oder ans Ende des Arbeitstages gelegt werden. Auch in Teilzeit gilt: Der Zeitbedarf ist abhängig vom Alter und den Bedürfnissen Ihres Kindes. Ausnahmen gelten, wenn Sie nur wenige Stunden pro Tag arbeiten oder bei Gleitzeitregelungen ohne Kernarbeitszeit. Es empfiehlt sich, mit Ihrem Arbeitgeber eine für beide Seiten praktikable Lösung über die Stillzeiten zu finden.
Darf ich als Stillende im Schichtdienst arbeiten?
Prof. Dr. Katja Nebe: Grundsätzlich ja, aber mit Einschränkungen. Zwischen 22 und 6 Uhr dürfen Stillende in aller Regel nicht beschäftigt werden. Für die Zeit zwischen 20 und 22 Uhr kann mit Ihrem Einverständnis eine Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot beantragt werden. Außerdem begrenzt das Mutterschutzgesetz auch den Umfang der Arbeitszeit für Stillende auf maximal 8,5 Stunden/täglich bzw. maximal 90 Stunden in der Doppelwoche. Nachtarbeit zwischen 22 und 6 Uhr und Überstunden dürfen Sie nur in besonders begründeten Einzelfällen, nach behördlicher Genehmigung, ärztlichem Zeugnis und mit Ihrem Einverständnis leisten. Außerdem begrenzt das Mutterschutzgesetz Arbeit an Sonn- und Feiertagen, auch wenn diese nicht gefährlicher ist als an anderen Tagen. Von diesem Verbot kann mit Ihrem Einverständnis eine Ausnahme bei der Aufsichtsbehörde beantragt werden.
Was kann ich tun, damit die Milchmenge nach dem Wiedereinstieg nicht abnimmt?
Dr. Monika Berns: Wenn Sie Ihr Baby voll stillen, sollten Sie alle drei bis vier Stunden anlegen oder abpumpen, damit Ihr Körper weiterhin ausreichend Milch produziert. Nehmen Sie sich genügend Zeit und Ruhe dafür: Die gesetzlich ausgewiesenen Stillzeiten sind ausdrücklich Mindestzeiten, gerade jüngere Kinder trinken möglicherweise deutlich länger und häufiger. Wenn Sie in dieser Zeit Stillprobleme oder das Gefühl haben, dass die Milchmenge abnimmt, können Sie sich an Ihre betreuende Hebamme wenden, bis Ihr Kind neun Monate alt ist – auf ärztliche Anordnung auch länger. Auch qualifizierte Stillberater*innen unterstützen dabei, einen Überblick gibt es hier: gesund-ins-leben.de/meine-rechte
Ich möchte die Stillzeiten zum Abpumpen nutzen, habe das aber noch nicht geübt. Ab wann soll ich damit anfangen?
Dr. Monika Berns: Beginnen Sie etwa zwei Wochen vor dem Arbeitsbeginn damit, ein- bis zweimal am Tag Muttermilch zu gewinnen. Das geht per Hand oder mit einer elektrischen Pumpe, die Sie mit oder ohne Rezept in einer Apotheke leihen können. So können Sie einen Vorrat anlegen und eine andere Betreuungsperson kann damit beginnen, Ihr Kind mit abgepumpter Milch zu füttern. Denn auch für Ihr Baby ist das neu und es muss dafür etwas üben. Mehr über Muttermilch und zum Umgang damit finden Sie hier: gesund-ins-leben.de/abpumpen
Bei meiner Arbeit ist für einen separaten Stillraum kein Platz. Wie kann ich trotzdem stillen oder Milch abpumpen?
Amera Hahne: Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, dafür geeignete Bedingungen sicherzustellen. Dies ist idealerweise ein ausgewiesener, abschließbarer Raum mit einer bequemen Sitzmöglichkeit, einer Abstellfläche, einer Steckdose für die Milchpumpe sowie einer Kühlmöglichkeit und einem Waschbecken in der Nähe. Gerade in kleineren Betrieben ist dies oft schwer umzusetzen. Suchen Sie gemeinsam eine praktikable Lösung, etwa einen Büroraum mit abschließbarer Tür oder einen Bereich, der Privatsphäre sicherstellt. Eine Toilette ist nicht geeignet. Wenn es bei Ihrer Arbeit keine Stillgelegenheit gibt, können Sie eine nahegelegene Alternative aufsuchen. Ihre Wegezeit zählt zur Stillzeit dazu. Je nach Tätigkeit kann vielleicht zeitweise auch mehr Homeoffice eingeräumt werden.
Wie spreche ich über das Thema mit meinen Kolleginnen und Kollegen?
Dr. Monika Berns: Stillen ist die natürliche Ernährung Ihres Kindes. Das Mutterschutzgesetz schützt es ausdrücklich und damit Ihre Gesundheit und die Ihres Kindes. Es ist Ihr gutes Recht, am Arbeitsplatz zu stillen oder Muttermilch abzupumpen und auch infolge dessen keine Nachteile zu erleiden. Ihre Vorgesetzten sind dazu verpflichtet, die Belegschaft über die gesetzlichen Regelungen und die Umsetzung in Ihrem Betrieb zu informieren, damit es nicht als persönliches „Sonderrecht“ verstanden wird. Im Gespräch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen können Sie darauf hinweisen, dass Sie so früher wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, das Team entlasten und das Risiko für verschiedene Erkrankungen für sich und Ihr Kind reduzieren. Gelassenheit hilft: Sie müssen es nicht allen recht machen.
Meine Mitarbeiterin hat mir mitgeteilt, dass sie stillen will. Was muss ich tun?
Prof. Dr. Katja Nebe: Sie melden dies der zuständigen Aufsichtsbehörde, falls diese nicht bereits über die Schwangerschaft informiert wurde. Sofern noch keine auf das Stillen bezogene Gefährdungsbeurteilung vorliegt, ist diese unverzüglich durchzuführen und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die für die gesamte Stillphase gelten. Sie sind verpflichtet, Ihrer Mitarbeiterin ein Gespräch anzubieten, um ihr das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung mitzuteilen und eine einvernehmliche Regelung bezüglich der Arbeits- und Stillzeiten zu finden. Die bezahlte Freistellung zum Stillen gilt bis zum ersten Geburtstag des Kindes. Die Mutter muss Ihnen mitteilen, wenn sie nicht mehr stillt. Informieren Sie regelmäßig Vorgesetzte und das Team über die Regelungen des Mutterschutzgesetzes und konkrete Schutzmaßnahmen, so können Fragen geklärt und die reibungslose Umsetzung gefördert werden.
Wann muss ein betriebliches Beschäftigungsverbot wegen Stillens ausgesprochen werden?
Prof. Dr. Katja Nebe: Beschäftigungsverbote sind immer das letzte Mittel. Deshalb muss der Arbeitgeber vorrangig die Arbeitsbedingungen auf der Basis einer Gefährdungsbeurteilung umgestalten. Er ist verpflichtet, den Arbeitsplatz so einzurichten, dass die Beschäftigte während der gesamten Stillzeit ihre Arbeit erbringen kann, ohne sich oder ihr Kind zu gefährden. Dazu zählt z. B. der Schutz vor Gefahrstoffen oder vor Stress, der sich nachteilig auf die Milchbildung auswirkt. Können die Arbeitsbedingungen nicht angepasst werden, muss ein anderer Arbeitsplatz gefunden werden. Im Regelfall lässt sich damit ein betriebliches Beschäftigungsverbot vermeiden.
Wann und wie spreche ich das Thema als Arbeitgeber bei Führungskräften und der Belegschaft an?
Amera Hahne: Informieren Sie regelmäßig Führungskräfte und Belegschaft über die gesetzlichen Regelungen für schwangere und stillende Mitarbeiterinnen und die Umsetzung in Ihrem Betrieb, damit diese nicht als „Sonderrechte“ Einzelner verstanden werden. So können Diskussionen vermieden werden. Vermitteln Sie, dass Sie als Betrieb im Wettbewerb um Fachkräfte mit Familienfreundlichkeit punkten. Stillen senkt das Risiko für verschiedene Erkrankungen bei Mutter und Kind. Zufriedene Mitarbeiterinnen mit gesunden Kindern und weniger Fehlzeiten sind für alle ein Gewinn. Auch die Belegschaft profitiert von früh zurückkehrenden Kolleginnen, die ihren Aufgaben wieder nachgehen und sich mit dem Betrieb identifizieren.
Wie können wir Mitarbeiterinnen mit Stillkind den Wiedereinstieg erleichtern?
Dr. Monika Berns: Vermitteln Sie als Vorgesetzte, dass Sie das Stillen in Ihrem Betrieb unterstützen und es wertschätzen, dass Ihre Mitarbeiterin während der Stillzeit ins Unternehmen zurückkehrt. Diese Haltung stärkt sie auch im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen. Versuchen Sie, für die erste Phase Druck herauszunehmen, etwa mit einem Wiedereinstieg zur Wochenmitte, flexiblen Arbeitszeiten oder Homeoffice. Eine feste und kompetente Ansprechperson erleichtert der Mutter die vertrauensvolle Kommunikation zum Beispiel bei der Vereinbarung von Stillzeiten oder bei beruflichen Außer-Haus-Terminen. Tipps für Arbeitgebende finden Sie hier.
Ist es für Mütter nicht einfacher, erst wiederzukommen, wenn sie nicht mehr stillen?
Amera Hahne: Ob es das notwendige Einkommen ist, die Fortsetzung einer Ausbildung, partnerschaftliche Rollenteilung oder einfach nur, weil man Spaß am Job hat: Es gibt viele Gründe, nach der Geburt wieder schnell zur Arbeit zurückzukehren. Die Entscheidung dafür liegt einzig bei der Mutter und ist von ihrem Umfeld zu respektieren. Das Mutterschutzgesetz ist insofern auch ein Gleichstellungsgesetz. Früh zurückkehrende Mütter übernehmen ihre Arbeit wieder und entlasten das Team. Sie freuen sich, wenn sie mit Wertschätzung aufgenommen werden und in der Belegschaft ein verständnisvoller Umgang miteinander herrscht.