Wenn stillende Mütter alkoholische Getränke konsumieren, gelangt ein Teil des aufgenommenen Alkohols über den Verdauungstrakt ins Blut und weiter in die Muttermilch. Da Alkohol von Säuglingen nur langsam abgebaut wird, verbleibt er im Vergleich zu Erwachsenen länger im Körper. Ursache hierfür ist, dass die Leber bei Säuglingen noch nicht ausgereift ist [1].
Einfluss von Alkohol aufs Baby
Klinische Studien zeigen, dass bereits eine moderate Menge Alkohol nach Aufnahme über die Muttermilch den Schlaf-Wach-Rhythmus gestillter Säuglinge verändern kann. In den ersten Stunden nach dem Füttern schliefen die Kinder zum Teil häufiger, aber kürzer, zum Teil schliefen sie weniger und weinten mehr [2, 3, 4]. Andere Studien beobachteten beim Kind Schläfrigkeit, ein verändertes Trinkverhalten durch einen langsameren Suchreflex oder verlangsamtes Saugen bzw. Schlucken [4, 5, 6]. Die Datenlage zu möglichen langfristigen Auswirkungen beim Kind durch die Aufnahme von Alkohol über Muttermilch ist unklar [7].
Einfluss auf Stillhormone bei der Mutter
Bei der Mutter hat die Aufnahme von Alkohol Einfluss auf Hormone, die für das Stillen von Bedeutung sind. Die Wirkung hält an, solange sich Alkohol im Blut der Mutter befindet. Nach Alkoholkonsum wird etwa weniger Oxytocin ausgeschüttet, offenbar abhängig von der aufgenommenen Menge Alkohol. Der niedrigere Oxytocin-Spiegel kann den Milchspendereflex verzögern und vorübergehend zu einer Verringerung der Milchmenge führen [1, 7, 4]. Anders als oft geglaubt, regt Alkohol damit die Milchbildung nicht an.
Alkohol in der Stillzeit meiden
Die negativen Wirkungen von Alkohol in der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind sind hinreichend bekannt [8]. Für die Stillzeit liegen im Vergleich dazu wenig belastbare Daten aus systematischen Übersichtsarbeiten vor. Fachgesellschaften empfehlen Stillenden im Sinne des vorsorgenden Gesundheitsschutzes, Alkohol zu meiden, insbesondere solange der Säugling ausschließlich gestillt wird [9, 10].
Obwohl klar ist, dass ein Verzicht auf Alkohol in der Stillzeit gesundheitlich sinnvoll ist, entscheiden sich einige Mütter im Alltag dazu, Alkohol zu trinken. In der prospektiven Kohortenstudie „Stillverhalten in Bayern“ aus dem Jahr 2005/2006 gaben 29 % der Frauen an, in den ersten drei Monaten nach der Geburt mindestens einmal Alkohol getrunken zu haben, 23,6 % tranken nur zu bestimmten Anlässen. 4,7 % der Mütter berichteten, 1 bis 3 Gläser alkoholischer Getränke bei einer Trinkgelegenheit getrunken zu haben, 0,7 % mehr als 3 Gläser. Wenn man die gesamte Stillzeit betrachtet, gaben 39 % der befragten Mütter an, mindestens einmal Alkohol getrunken zu haben [11]. Der Wunsch, in der Stillzeit Alkohol zu konsumieren, kann für manche Mütter ein Grund sein, nicht zu stillen [12].
Mütter unterstützen und zum (Weiter-)Stillen motivieren
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Fachkräfte das Thema in der Beratung individuell und stigmasensibel ansprechen. Sie sollten die Stillenden über die Auswirkungen von Alkohol in der Stillzeit und einen möglichst sicheren Umgang informieren.
Grundsätzlich gilt: In den ersten Lebensmonaten ist Muttermilch die empfohlene Nahrung für Säuglinge [9]. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Stillen die Gesundheit von Mutter und Kind fördert. Bei Frauen, die gestillt haben, sinkt das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs ebenso wie das für Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Säuglinge, die ausschließlich gestillt wurden, haben ein geringeres Risiko für den plötzlichen Kindstod und erkranken seltener an Mittelohrentzündungen, Magen-Darm- und Atemwegsinfekten [9, 13].
Die Vorteile des Stillens für Mutter und Kind werden auch dann als höher eingeschätzt, wenn die Mutter gelegentlich eine geringe Menge Alkohol aufnimmt und einen Abstand bis zum nächsten Stillen einhält [1, 14]. Es ist nicht erforderlich, dass sie in dem Fall mit dem Stillen aufhört. Bei regelmäßigem bzw. höherem Alkoholkonsum ist das Stillen gemeinsam mit einer medizinischen Fachkraft abzuwägen.
Fachkräfte sollten auf alkoholfreie Alternativen hinweisen, Unterstützungsmöglichkeiten beim Alkoholverzicht auch durch das persönliche Umfeld besprechen und sicherstellen, dass die Ausnahme „ein kleines Glas zu besonderen Anlässen“ nicht beliebig ausgelegt wird.
Beratung, Unterstützung und Material zum Alkoholverzicht in der Stillzeit und in anderen Lebenslagen gibt es kostenlos von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter:
Im Ausnahmefall das Stillen planen
Außerdem sollten Fachkräfte Stillende informieren, wie die Auswirkungen des Alkoholkonsums verringert werden können. Wollen stillende Mütter ein alkoholisches Getränk trinken, sollten sie ihr Kind vorher stillen und einen zeitlichen Abstand bis zur nächsten Stillmahlzeit einplanen. Dieser sollte gemäß der Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen nach einem Getränk mindestens 1 bis 2 Stunden betragen [9]. US-amerikanische Empfehlungen nennen mindestens 2 bis 2,5 Stunden [5, 15, 16, 17].
Die Alkoholkonzentrationen im Blut und in der Milch steigen in etwa parallel und auf gleiche Werte an. Mit dem Abbau des Alkohols im Körper sinkt der Gehalt in der Milch wieder [1]. Etwa 30 bis 60 Minuten nach dem Alkoholkonsum ist die höchste Konzentration in der Muttermilch zu beobachten [18]. Wird mit dem alkoholischen Getränk etwas gegessen, kann sich das auf 60 bis 90 Minuten verzögern [7]. Der Abbau von Alkohol im Körper wird u. a. durch die aufgenommene Alkoholmenge, das Körpergewicht der Stillenden und die individuelle Stoffwechselleistung beeinflusst.
Säuglinge sollen nach Bedarf gestillt bzw. gefüttert werden [9]. Gerade bei einem jungen Säugling lässt sich oft nicht voraussagen, wann er wieder gestillt werden möchte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Baby in den ersten Wochen alle 1 bis 3 Stunden gestillt werden möchte. Häufige kleine Stillmahlzeiten nach Bedarf des Kindes sind zum einen an die geringe Magengröße angepasst und zum anderen notwendig, um die Milchbildung sicher aufzubauen [13]. Längere Stillpausen können in dieser Zeit die Entstehung von Stillproblemen begünstigen. Hier kann das Füttern mit Muttermilch, die vor dem Alkoholkonsum abgepumpt und entsprechend der Empfehlungen gelagert wurde, eine Alternative darstellen.
Der Artikel basiert auf den bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen: