Empfehlungen
- Frauen mit Kinderwunsch und schwangere Frauen sollen sich an den allgemeinen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene orientieren.
- Frauen sollen auch in der Schwangerschaft im Alltag körperlich aktiv sein und sitzende Tätigkeiten begrenzen oder regelmäßig unterbrechen.
- Schwangere sollten an mindestens 5 Tagen pro Woche, am besten täglich, mindestens 30 Minuten moderat körperlich aktiv sein. Moderat bedeutet, dass eine Unterhaltung während des Sporttreibens noch möglich ist (Talk-Test).
- Sportlich aktive Frauen können in der Schwangerschaft auch intensiver körperlich aktiv sein.
Grundlagen der Empfehlungen
Die Empfehlungen orientieren sich an Empfehlungen anderer Fachgesellschaften und Expertengruppen sowie den Nationalen Empfehlungen zur Bewegung und Bewegungsförderung [53], [171], [172], [173], [174], [175].
Metaanalysen und systematische Reviews von randomisiert kontrollierten Interventionsstudien sowie Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass körperliche Aktivität mit moderater Intensität in der Schwangerschaft für die Schwangere und das Kind nicht nur sicher ist [176], [177], sondern es kommt zu einer Vielzahl positiver Effekte. So ist Bewegung/Sport während der Schwangerschaft mit einem verringerten Risiko für LGA [178], [179], Frühgeburt [177], [180], [181], Kaiserschnitt [44], [176], [182], [183], Schwangerschaftsdiabetes [10], [47], [176], [177], [178], [184], schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck [176], [183], übermäßige Gewichtszunahme [44], [178], [185], [186], Inkontinenz [187], [188], Rückenschmerzen [189], [190] und verbessertem psychosozialen Wohlbefinden [53] assoziiert. Fokussiert ausschließlich auf übergewichtige und adipöse Schwangere ist die Datenlage nicht ganz so umfangreich. Zusammengefasst hat sich diesbezüglich eine Risikoreduktion von Frühgeburt, Schwangerschaftsdiabetes und übermäßiger Gewichtszunahme durch körperliche Aktivität im Rahmen einer Lebensstilintervention in der Schwangerschaft gezeigt [44], [177].
Hintergrundinformationen
Die Empfehlungen zum Bewegungsausmaß von 30 Minuten körperlicher Aktivität an mindestens 5 Tagen in der Woche sind mit der Verbesserung der kardiorespiratorischen und muskulären Fitness und zur Vorbeugung von nicht übertragbaren Krankheiten belegt [191]. Im Hinblick auf schwangerschaftsspezifische Aspekte ist die Evidenz für bestimmte Bewegungsumfänge und -intensitäten begrenzt; generell ist bei einer komplikationslosen Schwangerschaft der positive Einfluss von Bewegung auf den Schwangerschaftsverlauf und die Gesundheit von Mutter und Kind jedoch unbestritten [192].
Für schwangere Frauen werden vor allem aerobe Ausdauerbelastungen empfohlen, die in moderater Intensität [193] und in Belastungseinheiten von mindestens 10 Minuten ausgeführt werden sollten. Moderate Intensität bedeutet: die Bewegung wird als etwas anstrengend empfunden, eine Unterhaltung ist möglich (Talk-Test). Auch körperliche Aktivität im Alltag ist erwünscht, wie z. B. zügig zu Fuß gehen oder Treppen steigen. Das Ziel von 10 000 Schritten pro Tag kann als Orientierung für die Umfänge von Alltagsaktivitäten dienen [194], [195], die durch sportliche Aktivitäten ergänzt werden sollten. Besonders und auch für Sporteinsteigerinnen geeignet sind Sportarten, bei denen große Muskelgruppen beansprucht werden, wie Walking, Nordic Walking, Radfahren in moderatem Tempo, Schwimmen/Aquafitness, Skilanglauf, Low-Impact-Aerobic oder Schwangerschaftsyoga. Neue Sportarten mit ungewohnten Bewegungsabläufen sollten Frauen in der Schwangerschaft nicht beginnen. Als ungeeignet gelten Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungsrisiko, z. B. Mannschafts-, Kontakt- und Kampfsportarten oder Gerätetauchen [53]. Gesunde Schwangere können bis in Höhen von 2000 bis 2500 Metern körperlich aktiv sein, vor allem, wenn sie an diese Höhen gewöhnt sind [196], [197]. Sportlich aktive Frauen können ihre bisherige sportliche Tätigkeit bei einer komplikationslosen Schwangerschaft in der Regel fortführen und etwas intensiver trainieren als Einsteigerinnen [171], [193], [198], [199].
Mögliche Warnsignale stellen vaginale Blutungen, Wehentätigkeit, Verlust von Fruchtwasser, Dyspnoe, Schwindel, Kopfschmerzen, Brustschmerzen, muskuläre Dysbalancen, Unterschenkelschmerzen und Schwellungen dar [53]. Kontraindiziert ist körperliche Aktivität bei hämodynamisch relevanten Herzkrankheiten, restriktiver Lungenkrankheit, Zervixinsuffizienz, vorzeitigen Wehen, persistierenden Blutungen im 2. und 3. Trimester, Placenta praevia nach 26 Schwangerschaftswochen, einer rupturierten Fruchtblase, Präeklampsie, schwangerschaftsinduzierter Hypertonie oder schwerer Anämie [53].
In der Realität geht im Rahmen der Schwangerschaft das Ausmaß an Bewegung häufig zurück [53], [60]. Als Barrieren werden u. a. Zeitmangel, fehlende Motivation, vor allem aber Ängste und Sicherheitsaspekte angegeben [200]. Fachkräfte sollten schwangere Frauen ermutigen, den Alltag und die Freizeit bewegt zu gestalten und sitzende Aktivitäten einzuschränken oder regelmäßig zu unterbrechen. Sie sollten die Bedenken und Ängste von Schwangeren/werdenden Eltern ernst nehmen und sie darüber informieren, dass Bewegung bei einer normalen, gesunden Schwangerschaft wünschenswert und sicher für Mutter und Kind ist.