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Frau lehnt sich zu einer Frau und spricht mit ihr
iStock.com/SDI Productions

Empfehlung

  • Fachkräfte sollten junge Familien zu einem gesunden Lebensstil motivieren und im Dialog beraten. In einer wertschätzenden Haltung interessieren sie sich für die Lebensrealität der Familie, ihre Erfahrungen mit Ernährung und Bewegung und ihre Einstellungen. Sie gehen auf Bedenken und Vorbehalte ein, respektieren die Entscheidungsfreiheit der Familie und setzen gemeinsam mit den Eltern realistische Ziele.

Grundlagen der Empfehlung

Handlungsempfehlungen sind als Richtschnur für die professionelle Beratung, nicht aber als Normvorgabe für Familien zu verstehen. Fachkräfte übertragen die Empfehlungen sowohl kontext- und situationssensibel, als auch in Kenntnis der vorhandenen Ressourcen der Familie. Sie suchen gemeinsam mit den Familien nach Möglichkeiten einer schrittweisen Verbesserung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens [188]. Studien zeigen, dass eine derart diversitätssensible Beratung die Chancen für die Umsetzung der Empfehlungen in den Familien entscheidend erhöht [13, 83, 94, 103, 219].

Hintergrundinformationen

Familien zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus: Sie unterscheiden sich in ihren Familienformen, ihrer Bildung, ihrem Lebensumfeld u. v. m. Deutschland ist zudem ein Einwanderungsland. 40 % der Kinder unter fünf Jahren haben eine Migrationsbiografie [195]. Sie stammen aus unterschiedlichen Herkunftsländern und -regionen, haben unterschiedliche Sprachkenntnisse und zum Teil auch eigene Migrationserfahrungen etc. Kennzeichnend für eine professionelle Beratungshaltung ist es, sich bewusst zu sein, dass die spezifischen Werte jeder einzelnen Familie, ihre kulturellen Einstellungen, Überzeugungen und Erfahrungen sich auf die Wahrnehmung der Handlungsempfehlungen auswirken. Normvorgaben sind daher nicht zielführend. Auch Furchtappelle und andere Überzeugungsstrategien sind für die Motivation zur Verhaltensänderung ungeeignet [164, 174]. Sie führen eher zu Widerstand (Reaktanz) und Ablehnung  ̶  und zwar umso mehr, je weiter das Verhalten der Familie von der Soll-Vorgabe entfernt ist [188, 189].

Aussichtsreicher als das Ziel, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Familie zu optimieren [84, 201], ist eine Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung, d. h. der Erwartung, aufgrund der eigenen Kompetenzen und Erfahrungen selbstwirksam handeln zu können. Beratende erkennen und wertschätzen dazu das Selbstverständnis der Familie und ihre Entwicklungswünsche [84, 94] und loten gemeinsam mit der Familie Möglichkeiten für ein gutes – nicht notwendigerweise perfektes  ̶  Gelingen aus (Konzept „hinreichend gute Familie“) [84, 201]. Die Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) [132, 133] bietet Methoden zur Umsetzung dieser professionellen Haltung. Zentral dabei ist, Empfehlungen nicht monologisch-direktiv vorzutragen, sondern in einen Dialog mit der Familie einzutreten, dabei Konfrontationen konsequent zu vermeiden und die Entscheidungsfreiheit der Familie zu respektieren [133]. Diese Art der Gesprächsführung hat sich auch in der allgemeinen wie in der pädiatrischen Gesundheitsberatung als effektiv gezeigt [26, 82]. Es ist wünschenswert, die Entwicklung dieses professionellen Beratungsansatzes in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften zu stärken.

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Literatur

13. Ames HM, Glenton C, Lewin S (2017) Parents' and informal caregivers' views and experiences of communication about routine childhood vaccination: a synthesis of qualitative evidence. Cochrane Database Syst Rev 2:CD011787

26. Bischof G, Bischof A, Rumpf HJ (2021) Motivational Interviewing: An Evidence-Based Approach for Use in Medical Practice. Dtsch Arztebl Int 118:109-115

82. Gayes LA, Steele RG (2014) A meta-analysis of motivational interviewing interventions for pediatric health behavior change. J Consult Clin Psychol 82:521-535

83. Geene R, Borkowski S (2017) Transitionsansatz und Frühe Hilfen: Wie erleben junge Mütter den Prozess der Familienwerdung? In: Fischer J, Geene R (Hrsg.) Netzwerke in Frühen Hilfen und Gesundheitsförderung – Neue Perspektiven kommunaler Modernisierung. Beltz Juventa, Weinheim, Basel

84. Geene R, von Haldenwang U, Bär G et al. (2021) Nutzerorientierte familiäre Gesundheitsförderung – Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Netzwerk Gesunde Kinder. Präv Gesundheitsf 16:95-103

94. Hilbig A, Stahl L, Avci Ö et al. (2014) Verständnis der bestehenden Ernährungsempfehlungen für Säuglinge bei Müttern deutscher und türkischer Herkunft. Präv Gesundheitsf 9:99-103

103. Kawamura A, Harris I, Thomas K et al. (2020) Exploring How Pediatric Residents Develop Adaptive Expertise in Communication: The Importance of "Shifts" in Understanding Patient and Family Perspectives. Acad Med 95:1066-1072

132. Messner T (2016) Motivational Interviewing: Ein Ansatz zur Stärkung der Eigenmotivation in der Ernährungsberatung. Ernährungs Umschau 63:M94-M104

133. Miller R, Rollnick S (2015) Motivational Interviewing 3. Auflage des Standardwerks in Deutsch. Lambertus, Freiburg im Breisgau

164. Rossmann C, Hastall MRH (2019) Handbuch der Gesundheitskommunikation. Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden

174. Schmacke N, Richter P, Stamer M et al. (2016) Der schwierige Weg zur Partizipation. Hogrefe Verlag, Bern

188. Somm I, Hajart M, Mallat A (2018) Grenzen der Standardisierbarkeit ärztlichen Handelns. Personale Kompetenz in pädiatrischen Vorsorgeuntersuchungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden

189. Somm I, Hajart M, Mallat A (2022) Vermittlung medizinischer Handlungsempfehlungen. Präv Gesundheitsf:published online 22 March 2022. https://doi.org/10.1007/s11553-022-00939-z

195. Statistisches Bundesamt (2020) Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2019. www.destatis.de, Zugegriffen: 10.12.2020

201. Thiessen B (2016) Lebenswelt Familie verstehen – Fachliche Grundlagen. In: Nationales Zentrum Frühe Hilfen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.) Lebenswelt Familie verstehen. Qualifizierungsmodul für Familienhebammen und Familiengesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger. Köln

219. Wolf-Kühn N, Geene R (2009) Früherkennung und Frühe Hilfen. Unterstützung junger Mütter. In: Geene R, Gold C (Hrsg.) Kinderarmut und Kindergesundheit. Hans Huber, Bern