Empfehlung
- Fachkräfte sollten junge Familien zu einem gesunden Lebensstil motivieren und im Dialog beraten. In einer wertschätzenden Haltung interessieren sie sich für die Lebensrealität der Familie, ihre Erfahrungen mit Ernährung und Bewegung und ihre Einstellungen. Sie gehen auf Bedenken und Vorbehalte ein, respektieren die Entscheidungsfreiheit der Familie und setzen gemeinsam mit den Eltern realistische Ziele.
Grundlagen der Empfehlung
Handlungsempfehlungen sind als Richtschnur für die professionelle Beratung, nicht aber als Normvorgabe für Familien zu verstehen. Fachkräfte übertragen die Empfehlungen sowohl kontext- und situationssensibel, als auch in Kenntnis der vorhandenen Ressourcen der Familie. Sie suchen gemeinsam mit den Familien nach Möglichkeiten einer schrittweisen Verbesserung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens [188]. Studien zeigen, dass eine derart diversitätssensible Beratung die Chancen für die Umsetzung der Empfehlungen in den Familien entscheidend erhöht [13, 83, 94, 103, 219].
Hintergrundinformationen
Familien zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus: Sie unterscheiden sich in ihren Familienformen, ihrer Bildung, ihrem Lebensumfeld u. v. m. Deutschland ist zudem ein Einwanderungsland. 40 % der Kinder unter fünf Jahren haben eine Migrationsbiografie [195]. Sie stammen aus unterschiedlichen Herkunftsländern und -regionen, haben unterschiedliche Sprachkenntnisse und zum Teil auch eigene Migrationserfahrungen etc. Kennzeichnend für eine professionelle Beratungshaltung ist es, sich bewusst zu sein, dass die spezifischen Werte jeder einzelnen Familie, ihre kulturellen Einstellungen, Überzeugungen und Erfahrungen sich auf die Wahrnehmung der Handlungsempfehlungen auswirken. Normvorgaben sind daher nicht zielführend. Auch Furchtappelle und andere Überzeugungsstrategien sind für die Motivation zur Verhaltensänderung ungeeignet [164, 174]. Sie führen eher zu Widerstand (Reaktanz) und Ablehnung ̶ und zwar umso mehr, je weiter das Verhalten der Familie von der Soll-Vorgabe entfernt ist [188, 189].
Aussichtsreicher als das Ziel, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Familie zu optimieren [84, 201], ist eine Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung, d. h. der Erwartung, aufgrund der eigenen Kompetenzen und Erfahrungen selbstwirksam handeln zu können. Beratende erkennen und wertschätzen dazu das Selbstverständnis der Familie und ihre Entwicklungswünsche [84, 94] und loten gemeinsam mit der Familie Möglichkeiten für ein gutes – nicht notwendigerweise perfektes ̶ Gelingen aus (Konzept „hinreichend gute Familie“) [84, 201]. Die Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) [132, 133] bietet Methoden zur Umsetzung dieser professionellen Haltung. Zentral dabei ist, Empfehlungen nicht monologisch-direktiv vorzutragen, sondern in einen Dialog mit der Familie einzutreten, dabei Konfrontationen konsequent zu vermeiden und die Entscheidungsfreiheit der Familie zu respektieren [133]. Diese Art der Gesprächsführung hat sich auch in der allgemeinen wie in der pädiatrischen Gesundheitsberatung als effektiv gezeigt [26, 82]. Es ist wünschenswert, die Entwicklung dieses professionellen Beratungsansatzes in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften zu stärken.