Bewegung ist in einer komplikationslosen Schwangerschaft und mit moderater Intensität sicher [1, 2] und dient der Gesundheit von Mutter und Kind. Bewegung erhält bzw. verbessert die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit und steigert das psychosoziale Wohlbefinden der Mutter. Sie hilft dabei, schwangerschaftstypische Begleiterscheinungen und Komplikationen zu mildern bzw. zu vermeiden [3]. Deshalb wird körperliche Aktivität in der Schwangerschaft empfohlen.
Schwangere sollten möglichst täglich in Bewegung sein, mindestens an fünf Tagen pro Woche für mindestens 30 Minuten am Tag.
Das empfehlen die nationalen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft des Netzwerks Gesund ins Leben [4]. Dieser interdisziplinär entwickelte Beratungsstandard richtet sich an Fachkräfte mit Kontakt zu Schwangeren und wird von relevanten Berufsverbänden und wissenschaftlichen Fachverbänden in Deutschland unterstützt. Der Begriff Bewegung umfasst dabei körperliche Aktivitäten im Alltag und Sport. Sport sollte mit mäßiger Intensität ausgeübt werden. Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft sportlich aktiv waren, können ihre bisherigen Aktivitäten in der Regel fortführen und etwas intensiver aktiv sein als Einsteigerinnen.
Erwachsene verbringen oft viele Stunden des Tages im Sitzen: am Computer, vorm Fernseher, beim Videochat oder in Bus, Bahn und Auto. Sitzende Tätigkeiten sollen deshalb zeitlich begrenzt oder regelmäßig unterbrochen werden.
In der Beratung Ängste und Barrieren abbauen
Während der Schwangerschaft bewegen sich Frauen oft weniger als vor der Schwangerschaft [5, 6]. Als Barrieren geben sie Zeitmangel und fehlende Motivation an, vor allem aber Ängste und Sicherheitsaspekte [7]. Lange wurde von Sport während der Schwangerschaft abgeraten. Erst in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten änderte sich die Sichtweise durch neue Studien.
„Es ist wichtig, die Sorgen und Ängste werdender Eltern ernst zu nehmen. Fachkräfte sollten darüber informieren, dass tägliche Bewegung bei einer normalen, gesunden Schwangerschaft ausdrücklich wünschenswert und sicher ist“, sagt Ernährungs- und Sportmedizinerin Prof. Dr. Christine Graf von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. und Mitautorin der nationalen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und in der Schwangerschaft.
„Schwangere sind am ehesten zu Bewegung und Sport zu motivieren, wenn sie Nutzen und Risiko einschätzen können und sich die Aktivitäten zutrauen. Die Empfehlung von mindestens 30 Minuten am Tag kann auch in kürzere Belastungseinheiten, mindestens je 10 Minuten, aufgeteilt werden. Mit dem Talk-Test lässt sich die Bewegungsintensität eigenständig prüfen.“
Aktiv sein bringt viele Vorteile
Körperlich aktive Schwangere haben ein geringeres Risiko, einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln als inaktive Frauen [1, 2, 8, 9]. Auch einer übermäßigen Gewichtszunahme beugen sie vor [10, 11]. Bewegung verbraucht Energie und trägt – verbunden mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung – zu einer normalen Gewichtszunahme bei. Aktive Schwangere haben seltener Rückenschmerzen [12, 13], Inkontinenz [14] und eine geringere Rate an Komplikationen und Kaiserschnitten [1, 15]. Auch das psychosoziale Wohlbefinden wird gesteigert [16]. Bewegung in der Schwangerschaft ist zudem mit einem verringerten Risiko für LGA (large for gestational age) und Frühgeburt assoziiert [4]. Regelmäßige Bewegung im Freien ist auch im Hinblick auf die Vitamin-D-Versorgung wünschenswert, da die Bevölkerung in Deutschland eher suboptimal mit dem Vitamin versorgt ist [17]. Die durch Sonnenlicht induzierte Vitamin-D-Bildung in der Haut kann die Versorgung verbessern.
Täglich körperlich aktiv
Über Nachgefragt
In der Rubrik Nachgefragt gehen wir Irrtümern auf den Grund und erklären altes Wissen neu.
Regelmäßige körperliche Aktivität mit moderater Intensität wird empfohlen, sofern keine medizinischen Kontraindikationen vorliegen. Die aktuellen Bewegungsempfehlungen lauten: Frauen sollen auch in der Schwangerschaft am besten täglich in Bewegung sein. Mindestens 30 Minuten am Tag an mindestens fünf Tagen in der Woche sind wünschenswert [4]. Das entspricht den nationalen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene von 150 Minuten pro Woche [18]. Dazu zählt jede Bewegung in der Freizeit, beim Sport und im Alltag, bei der man sich wenigstens „etwas“ anstrengt.
Mit moderater Intensität bewegen (Talk-Test)
Bei gesunden Schwangeren sollte das Belastungsempfinden im moderaten Bereich liegen. Moderate Intensität heißt:
- die Bewegung wird zumindest als „etwas anstrengend“ empfunden (subjektives Belastungsempfinden),
- leichtes Schwitzen und verstärkte Atmung tritt auf und
- eine Unterhaltung ist möglich (Talk-Test).
Ob und wie anstrengend eine Aktivität ist, wird von Schwangeren individuell unterschiedlich empfunden. Der Talk-Test ist eine alltagstaugliche Methode, um Überanstrengung zu vermeiden: Während der Belastung sollte eine normale Unterhaltung möglich sein. Ist die Atmung so erschwert, dass die normale Unterhaltung schwierig oder unmöglich wird, sollte die Schwangere die Intensität reduzieren. Bei diesen Warnsignalen muss die Aktivität abgebrochen werden und es muss eine Abklärung erfolgen: vaginale Blutungen, Wehentätigkeit, Verlust von Fruchtwasser, Dyspnoe, Schwindel, Kopfschmerzen, Brustschmerzen, muskuläre Dysbalancen, Unterschenkelschmerzen und Schwellungen [4].
Intensität hängt von der bisherigen Fitness ab
In welchem Umfang und mit welcher Intensität die Schwangere sportlich aktiv sein sollte, hängt von ihrem bisherigen Bewegungsverhalten und ihrer Konstitution ab [4].
- Sportlich aktive Frauen können ihr Training in der Regel in gewohntem Umfang fortführen. Der Fokus sollte darauf liegen, fit zu bleiben und nicht darauf, die Fitness oder Leistung zu steigern.
- Für Einsteigerinnen, die vor der Schwangerschaft sportlich inaktiv waren, ist es wichtig, in Bewegung zu kommen und das Ausmaß langsam zu steigern.
Empfehlenswerte Sportarten
Für schwangere Frauen werden vor allem aerobe Ausdauerbelastungen empfohlen. Besonders und auch für Sporteinsteigerinnen geeignet sind Sportarten, die große Muskelgruppen beanspruchen wie Wandern und (Nordic) Walking. Jede Schwangere kann hier ihr eigenes Tempo wählen und ihre persönliche Ausdauerleistungsfähigkeit trainieren. Beides eignet sich auch für sportliche Frauen, denen das Joggen während der (späten) Schwangerschaft zu beschwerlich ist. Beim Radfahren in der Ebene trägt das Rad das Gewicht und entlastet die Wirbelsäule, weshalb es ebenfalls geeignet ist. Schwimmen und Aquafitness sind gelenkschonend. Wassereinlagerungen werden durch den Wasserdruck abgeschwächt und gleichzeitig birgt das Training im Wasser kaum Verletzungsgefahr. Unter professioneller Anleitung und mit angepasster Intensität eignen sich auch Low-Impact-Aerobic und Schwangerschaftsyoga.
Neue Sportarten mit ungewohnten Bewegungsabläufen sollten Frauen in der Schwangerschaft nicht beginnen. Als ungeeignet gelten Sportarten mit hohem Sturz- und Verletzungsrisiko, z. B. Mannschafts-, Kontakt- und Kampfsportarten oder Gerätetauchen [4]. Mit den physiologischen hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft lockern sich Bänder und Sehen. Schnelle und ruckartige Bewegungen sollten deshalb vermieden werden [5].
Auch körperliche Aktivität im Alltag ist erwünscht, wie z. B. zügig zu Fuß gehen oder Treppen steigen. Das Ziel von 10 000 Schritten pro Tag kann als Orientierung für den Umfang von Alltagsaktivitäten dienen [19, 20], die durch sportliche Aktivitäten ergänzt werden sollten.