Gemäß den deutschen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil in der Schwangerschaft sollen werdende Eltern über das Stillen informiert und beraten werden [1]. Ziel ist es, dass Schwangere eine informierte Entscheidung über die Ernährung ihres Kindes treffen. Außerdem sollen sie, sofern sie sich für das Stillen entscheiden, Zuversicht und Bereitschaft dafür aufbauen können. Für eine Beratung, die eine selbstbestimmte Entscheidung fördert, eignet sich z. B. das wissenschaftlich erprobte und bewährte Konzept der Motivierenden Gesprächsführung [2].
Die Stillabsicht der werdenden Mutter hat einen erheblichen Einfluss darauf, ob und wie lange ein Kind gestillt wird [3-6]. Auch Unterstützung während der Stillzeit hat einen Effekt auf die Stilldauer, besonders bei Schwierigkeiten mit dem Stillen. Stillprobleme treten oft zu Beginn der Stillzeit auf und können zum vorzeitigen Abstillen führen [5, 7]. In der Studie „Stillen und Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II“ berichtete etwa die Hälfte von knapp 1.000 Frauen, die versucht hatten zu stillen, in den ersten 2 Wochen nach der Geburt von Problemen. 22 % dieser Frauen waren mit der Betreuung bei diesen Problemen unzufrieden [5].
Unterschiedliche Formen der Unterstützung in der Schwangerschaft und im Wochenbett zeigen positive Effekte auf das Stillverhalten [8-11]. Die folgenden fünf Bausteine der Schwangerenberatung können nachweislich zur Stillförderung beitragen.
- Zum Stillen informieren
- Praktische Unterstützung vermitteln
- Kriterien für die Wahl stillfreundlicher Geburtsorte vermitteln
- Über Rechte informieren
- Partner*innen einbeziehen
1. Zum Stillen informieren
Gemäß einer aktuellen Studie aus Nordrhein-Westfalen informieren sich nur etwa die Hälfte der werdenden Mütter in der Schwangerschaft über das Stillen. Dabei ist die Inanspruchnahme von Stillberatung mittelschichtorientiert und erfolgt auf Eigeninitiative der Eltern. Mütter mit niedrigerem Sozialstatus informieren sich seltener vor der Geburt, besuchen seltener einen Geburtsvorbereitungskurs und werden seltener vor und nach der Geburt zuhause von einer Fachkraft betreut [12]. Als Folge sind Frauen in belasteten Lebenslagen gegenüber Vergleichsgruppen schlechter auf das Stillen vorbereitet [13] und Kinder von Müttern mit niedriger Bildung werden erheblich seltener und kürzer gestillt als Kinder von Frauen mit mittlerer oder hoher Bildung [14].
Die Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchungen werden von fast allen Schwangeren in Deutschland in Anspruch genommen [15]. Frauenärztliche Praxen und Hebammen sind daher geeignete niedrigschwellige Settings für die Weitergabe von Informationen zum Stillen, damit möglichst viele Frauen von einem solchen Angebot profitieren können. Gleichzeitig kann Säuglingsernährung auch in anderen Settings wie der kinder- und jugendärztlichen Praxis Schwangerengymnastik, Familientreffs etc. als Thema aufkommen. Im Sinne der Stillförderung ist es hilfreich, wenn Schwangere und ihre Partner*innen auch dort Zugang zu fundierten Informationen erhalten.
Praxisnahes Wissen, angepasst an den Bedarf der Familie, leistet einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung auf das Stillen und kann die Mutter in ihrer Stillkompetenz stärken. Mit grundlegenden Informationen über die Milchbildung kann z. B. der verbreiteten Sorge um zu wenig Milch begegnet werden, die häufig zum Nicht- bzw. Abstillen führt [7, 5]. Infobox 1 listet relevante Themen auf. Vertiefende Informationen dazu bietet z. B. das kostenlos verfügbare Handbuch „Basiswissen Stillen. Eltern praxisnah informieren und begleiten” [16].
Infobox 1: Hilfreiches Wissen für Eltern zur Praxis des Stillens
- Ablauf des ersten Stillens
- Stillpositionen und Anlegetechnik
- Prinzipien der Milchbildung
- Bedeutung von frühem und häufigem Stillen bzw. Milchentnahme zum sicheren Aufbau der Milchbildung
- Stillen/Milchgewinnung nach Bedarf reguliert Milchmenge
- Clusterfeeding-Phasen sind natürlich
- Hunger- und Sättigungszeichen des Säuglings
- Einsatz von Schnullern, Stillhütchen und Flaschensaugern in den ersten Lebenswochen
- Häufigkeit und Länge einer Stillmahlzeit, Schlafverhalten usw. individuell verschieden
- Mutter, Stillkind und Familie brauchen eine Zeit der Anpassung
- Stillen ist keine „Pflicht“; es kommt darauf an, für den Säugling zu sorgen
Für die Elternberatung gibt es kostenloses und anschauliches Beratungsmaterial vom Netzwerk.
2. Praktische Unterstützung vermitteln
Ergänzend zu Stillwissen profitieren Familien bei der Vorbereitung auf das Stillen von praktischer Unterstützung. Kenntnis über geeignete Ansprechpersonen und Angebote in Wohnortnähe machen es später zudem einfacher, sich bei möglichen Unsicherheiten oder Stillschwierigkeiten frühzeitig Hilfe zu holen. Frauenärztliche Praxen und andere Multiplikator*innen, die mit Schwangeren zu tun haben, sollten gezielt auf lokale Angebote hinweisen können.
Dass die Unterstützung durch eine Hebamme und deren Hausbesuche nach der Geburt eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sind, ist nicht allen werdenden Eltern bekannt und daher eine wichtige Information, die möglichst frühzeitig an Eltern herangetragen werden sollte. Darüber hinaus bieten qualifizierte Still- und Laktationsberater*innen Beratung und Kurse an, in der Regel kostenpflichtig. Auch ehrenamtliche Angebote sind verfügbar. Kurse können bei der praktischen Vorbereitung auf das Stillen helfen. Informationen zum Stillen sind entweder Bestandteil von Eltern-Baby-Kursen oder werden in Stillkursen vermittelt. Eine Liste von Anlaufstellen für Beratung und Stillgruppen gibt es hier. Verfügbar sind Präsenz-, Telefon- und Online-Angebote. Darüber hinaus haben auch viele Geburtskliniken und Praxen Kurse und Beratung im Angebot.
3. Kriterien für die Wahl stillfreundlicher Geburtsorte vermitteln
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die sich positiv auf den Stillbeginn und eine positive Stillbeziehung auswirken [16, 17]. Eltern mit Stillwunsch können sich bei Geburtskliniken erkundigen, ob und wie die folgenden Kriterien umgesetzt werden [16]:
- ungestörter Hautkontakt direkt nach Geburt für frühes erstes Stillen
- 24-Stunden-Rooming-in
- Stillen nach Bedarf
- Zufüttern nur bei medizinischer Notwendigkeit
- Informationen über Hunger und Sättigung des Kindes, Stillpositionen, Bedeutung von Muttermilch für die Entwicklung des Kindes
- Beratung zum Stillen bereits in der Schwangerschaft durch regelmäßig geschultes Klinikpersonal
- Individuelle Beratung der Eltern, wenn sie sich für eine andere Ernährungsform entscheiden
- Beratung zu Gebrauch und möglichen Nachteilen von Flaschen, Saugern, Schnullern
In Deutschland sind zudem rund 100 Geburts- und Perinatalkliniken durch die WHO/UNICEF-Initiative „Babyfreundlich“ zertifiziert (www.babyfreundlich.org). Sie arbeiten nach standardisierten Richtlinien zur Förderung von Bindung, Entwicklung und Stillen.
4. Über Rechte informieren
Das Mutterschutzgesetz gibt den rechtlichen Rahmen zum Schutz von Stillenden am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz vor [18]. Es gilt für jede Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt und in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Stillende haben in den ersten 12 Monaten nach der Geburt das Recht auf bezahlte Zeiten zum Stillen oder Abpumpen. An Sonntagen, Feiertagen und nachts müssen sie nicht arbeiten. Arbeitsplatzbedingungen müssen bereits in der Schwangerschaft überprüft und bei Bedarf Schutzmaßnahmen für Schwangerschaft und Stillzeit veranlasst werden. Bei dieser Gelegenheit können Frauen bei ihrer Arbeitsstelle auch bereits ansprechen, wie die Freistellung zum Stillen organisiert werden kann.
Es ist hilfreich, wenn Teams in Praxen und Beratungsstellen bei Bedarf auf aktuelle Informationen zum Thema Stillen und Beruf hinweisen können. So können Frauen frühzeitig ihren Wiedereinstieg planen und weiterstillen, wenn sie das möchten. Das Bundesfamilienministerium hält Broschüren für Stillende [19] und Arbeitgebende [20] bereit.
Materialien und Infos des Netzwerks Gesund ins Leben zum Thema Stillen und Beruf
Für Eltern: Meine Rechte rund ums Stillen
5. Partner*innen miteinbeziehen
Partner*innen sollten, wenn vorhanden, einbezogen werden, damit sie beim Stillalltag unterstützen und teilhaben können. Eine positive Einstellung in der Partnerschaft zum Stillen ist mit einer längeren Stilldauer assoziiert [4, 5].