Bei einer rein veganen Ernährung soll die Versorgung mit kritischen Nährstoffen ärztlich überprüft werden und eine individuelle Ernährungsberatung erfolgen. Das sehen die nationalen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft vor. Neben Jod und Folsäure, wie für alle Schwangeren empfohlen, sollen Veganerinnen in der Schwangerschaft gemäß der Empfehlungen zusätzliche Mikronährstoffsupplemente (insbesondere Vitamin B12) einnehmen, um einem Nährstoffmangel und daraus folgenden Schädigungen der kindlichen Entwicklung, insbesondere des Nervensystems, vorzubeugen [2]. Bei einer veganen Ernährung ist ohne Ergänzung durch Nährstoffpräparate und angereicherte Lebensmittel eine ausreichende Nährstoffzufuhr nicht möglich.
Schwangere brauchen mehr Nährstoffe
In der Schwangerschaft ist der Nährstoffbedarf teilweise erheblich erhöht. Bei den Nährstoffen Folsäure, Jod und Eisen wird eine deutlich erhöhte Zufuhrmenge schon vor bzw. ab Beginn der Schwangerschaft empfohlen [3]. Darüber hinaus besteht ein nennenswerter Mehrbedarf an Eiweiß ab dem vierten Monat, der im letzten Drittel der Schwangerschaft noch einmal steigt, sowie für die meisten Vitamine (z. B. Vitamin A, B6, C) und Mineralstoffe (z. B. Zink).
Lebensweise respektieren und Handlungsoptionen aufzeigen
„Die Entscheidungen für eine vegane Ernährung sind unterschiedlich und ganz persönlich. Fast immer basieren sie auf ethischen Überzeugungen oder ökologischen Motiven – wie etwa das Klima zu schützen oder Tierleid zu vermeiden. Wenn wir diese Überzeugungen in der Beratung grundsätzlich in Frage stellen, riskieren wir, gar nicht gehört zu werden“, sagt Maria Flothkötter, Leiterin des Netzwerks Gesund ins Leben, das die nationalen Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft herausgibt.
Wichtig sei es, mit den Frauen im Gespräch zu bleiben, um über die Bedeutung von Supplementen und die deutlichen Risiken eines Nährstoffmangels informieren zu können. Vegane Schwangere sollten eine individuelle und qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.
Mit gezielter Nährstoffergänzung Defiziten vorbeugen
Bei einer rein pflanzlichen (veganen) Ernährung ist die Versorgung mit Vitamin B12, der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA), Zink, Eiweiß, Eisen, Kalzium und Jod kritisch. Vor allem die ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 ist bei einer rein pflanzlichen Ernährung ohne Nährstoffpräparate und angereicherte Lebensmittel nicht möglich. Eine nach mehrjähriger veganer Ernährung ohne Supplementierung aufgetretene Vitamin-B12-Unterversorgung kann neben hämatologischen und neurologischen Problemen der Mutter während der Schwangerschaft zu schwerer und dauerhafter Schädigung des kindlichen Nervensystems führen [4], [5], [6].
Veganerinnen, die ihre Ernährungsweise in der Schwangerschaft beibehalten möchten, sollten schon bei Kinderwunsch eine qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, um eventuelle Nährstoffmängel noch vor der Empfängnis zu beheben. Auch in der Schwangerschaft sollten Veganerinnen regelmäßig die Versorgung mit kritischen Nährstoffen ärztlich (inkl. Blutwerten) überprüfen lassen, damit sie neben Folsäure und Jod gezielt Supplemente einnehmen und ggf. angereicherte Lebensmittel verzehren, um ihren Nährstoffbedarf zu decken [7].
Eine gut geplante, ausgewogene Lebensmittelauswahl sowie Supplementierung von Vitamin B12 und gegebenenfalls anderen kritischen Nährstoffen (siehe oben) können zu einer ausreichenden Nährstoffversorgung und somit zu einer gesundheitsfördernden Ernährung beitragen, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung [8]. Dazu gehört z. B. auch die Supplementierung von DHA (gibt es auch aus Mikroalgen), wenn fettreicher Meeresfisch in der Ernährung der Schwangeren fehlt.
In der Beratung: an Überzeugungen der Schwangeren anknüpfen
Ein Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hat sich 2017 damit beschäftigt, wie die Risiken einer veganen Kost angemessen kommuniziert werden können. Dabei kamen die Wissenschaftler*innen zu dem Schluss, dass eine effektive Risikokommunikation an die bestehenden Überzeugungen anknüpfen sollte [9]. Das Thema sollte neutral oder positiv angesprochen werden, um keinen grundlegenden Widerstand in der Beratung zu erzeugen.
Über Nachgefragt
In der Rubrik Nachgefragt gehen wir Irrtümern auf den Grund und erklären altes Wissen neu.
Hilfreich seien laut BfR konkrete Anleitungen, die Veganer*innen mit ihrem Alltag verbinden können. Sie haben sich oft schon damit beschäftigt, wie sie durch die bewusste Auswahl von Lebensmitteln und mit Supplementen die Versorgung mit allen benötigten Nährstoffen sicherstellen können, und stehen einer Beratung, die vegane Nahrungsalternativen oder Nahrungsergänzungsmittel anbietet, eher offen gegenüber. Das Forschungsprojekt hat auch konkreten Informationsbedarf aufgedeckt: So ist zum Beispiel das Wissen darüber bruchstückhaft, welche Lebensmittel gute Eisenquellen sind (hier wären z. B. Hülsenfrüchte, Nüsse, Ölsamen, Vollkorngetreide und verschiedene Gemüsearten zu nennen, jeweils kombiniert mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Obst oder Saft, um die Eisenverfügbarkeit zu verbessern).
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hebt in einem aktuellen Positionspapier den Aspekt der Unterstützung hervor: „In der Beratung von Schwangeren, Stillenden, Kindern und Eltern, die sich oder ihre Kinder vegan ernähren möchten, sollen Fachkräfte dabei auf die Risiken einer veganen Ernährung hinweisen, Handlungsoptionen aufzeigen und gleichzeitig eine bestmögliche Unterstützung bei der Umsetzung einer bedarfsgerechten veganen Ernährungsweise bieten, um so einem Nährstoffdefizit und damit einer Fehlentwicklung vorzubeugen bzw. diese zu vermeiden.“ [10]
Wichtige Beiträge von Ärzt*innen sind hier die Kontrolle der Versorgung mit kritischen Nährstoffen sowie die Vermittlung an eine qualifizierte Ernährungsberatung.
Der Artikel basiert auf den bundesweiten Handlungsempfehlungen zu Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft: